Dillenburg: Stadtwerke-Betriebsleiter Norbert Turschner geht in den Ruhestand
Der 1. August 1980 war ein Freitag - und in der Oranienstadt Dillenburg standen „Feiertage“ an. Denn an diesem Wochenende wurde Kirmes gefeiert und alle waren bester Stimmung.
Und so saß der Mann an seinem zweiten Arbeitstag nicht an seinem Schreibtisch im Bauamt in der Friedrichstraße, sondern ging zum fröhlichen Frühschoppen zusammen mit seinen Kollegen im Festzelt auf der Bleiche. Mehr als vier Jahrzehnte liegt dieser ungewöhnliche Einstieg ins Berufsleben zurück. Dennoch: Norbert Turschner, Leiter der Dillenburger Stadtwerke, kann sich 41 Jahre später noch genau daran erinnern - allerdings mit etwas Wehmut verbunden. Der 66-Jährige geht zum 1. Januar 2022 in die wohlverdiente Altersrente.
Turschner wurde am 21. Januar 1955 in Gießen geboren und ist in Burkhardsfelden (Großgemeinde Reiskirchen) aufgewachsen. Die schulische Ausbildung schloss er 1973 mit Erreichen der Fachhochschulreife an der Theodor-Litt-Schule in Gießen ab. Mit Blick auf die weitere Laufbahn lässt sich sagen: Der Beruf schien ihm in die Wiege gelegt. Sein Sternzeichen: Wassermann. Nach dem Grundwehrdienst begann er im September 1975 ein Studium an der Fachhochschule Gießen-Friedberg: Bauingenieurwesen mit den Schwerpunkten Siedlungswasserbau und Stadtverkehrswesen. Der Abschluss erfolgte im April 1980 mit dem Fachhochschul-Diplom im Fachbereich Bauingenieurwesen.
Wenige Monate später, am 1. August 1980, trat er in den Dienst der Oranienstadt Dillenburg, wo er bis 1986 dem Stadtbauamt angehörte. In dieser Zeit war er für Planungen und Bauleitungen im Bereich der Wasserversorgung und als Ingenieur für den Betrieb und die Instandhaltung der Abwasseranlagen des ehemaligen Abwasserverbandes „Obere Dill“ verantwortlich. Mit der Reaktivierung des Eigenbetriebes „Wasserwerke Dillenburg“ in 1986 wechselte Norbert Turschner vom Stadtbauamt zu den Wasserwerken. Am 1. Mai 1992 erfolgte zunächst die Ernennung zum kommissarischen Betriebsleiter für den technischen Bereich des damaligen Eigenbetriebes „Wasserwerke“; am 1. April 1993 wurde Turschner deren Technischer Betriebsleiter. Am 1. September 2006 kam die operative Leitung des städtischen Baubetriebshofes hinzu, wenige Monate später, am 1. Januar 2007, folgte die Vereinigung mit den Wasserwerken. Der städtische Eigenbetrieb firmiert seitdem als „Stadtwerke Dillenburg“.
Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit übernahmen die Stadtwerke Dillenburg im Jahr 2016 die technische Betriebsführung der Wasserversorgung der Gemeinde Siegbach; mit den Gemeindewerken Sinn begann in 2018 eine Kooperation. Diese wurde im Jahr 2020 zur vollständigen Betriebsführung der Gemeindewerke Sinn ausgeweitet und Norbert Turschner im August 2020 zum Betriebsleiter ernannt. Gemeinsam mit Karl-Werner Karp, dem damaligen kaufmännischen Betriebsleiter, leitete Norbert Turschner ab 1992 bis zum Ruhestand von Karp im August 2017 die Wasser- bzw. Stadtwerke Dillenburg. Im Zuge der Neuorganisation wurden Turschner am 1. Juli 2017 zum Betriebsleiter und Friedrich Dehmer zum stellvertretenden Betriebsleiter bestellt.
Die Versorgung der Menschen in den Kommunen seines Verantwortungsbereiches mit immer einwandfreiem Trinkwasser, dem Lebensmittel Nummer Eins, war stets oberstes Gebot. Wichtig war ihm auch die Mitarbeit im Lenkungsausschuss Wasserwirtschaft Hessen, in dem er seit seiner Gründung im Jahr 2007 mitwirkte. „Wir haben Lobby-Arbeit betrieben“, sagt Turschner. Nach der Gebietsreform 1976/77 wurden in Dillenburg die Ärmel hochgekrempelt. Der Generalversorgungsentwurf für die Stadt musste schleunigst umgesetzt werden. „Wir hatten die Inseln der einzelnen Stadtteile miteinander zu verknüpfen“, erzählt Turschner. Kein leichtes Unterfangen, die Wasserversorgung der Kernstadt und der Dörfer zu einem Verbundsystem zusammenzuschließen.
Anfang der 80er Jahre begann das 30 Jahre dauernde Projekt mit der Errichtung der zusammen rd. 3000 Kubikmeter fassenden Hochbehälter in Oberscheld, Eibach, Manderbach und Nanzenbach. Das letzte Reservoir in Nanzenbach entstand 2007, und der Stadtteil Donsbach, lange aus dem Stollen der Haigerer Hachelbach mit Wasser versorgt, wurde 2009 mit einer über „Meerbornsheide“ in die Kernstadt führenden Leitung an den Verbund angeschlossen. Außerdem wurden zahlreiche Rohrleitungen erneuert, die Wassergewinnungsanlagen Wilhelmsstollen und Fortunatus ausgebaut sowie der Tiefbrunnen Nanzenbachtal IV gebohrt. 180 Kilometer Rohrnetz stehen heute zur Verfügung. Verbrauchsspitzen werden abgedeckt, eine Löschwasserreserve ist garantiert – das alles wird über ein Fernüberwachungssystem koordiniert. „Mit unseren Investitionen sind wir auf Langlebigkeit ausgelegt. Die technische Haltbarkeit des Versorgungsnetzes liegt durchschnittlich bei 80 Jahren“, sagt der scheidende Betriebsleiter.
Auch im zu den Stadtwerken gehörenden Baubetriebshof begleitete Turschner den Wandel vom Regie- zum Eigenbetrieb mit, und die Modernisierung von Fuhrpark, Maschinen und Geräten sowie die Digitalisierung von Prozessen wurden mit ihm vorangetrieben. „Mir lag die Qualifizierung der Mitarbeiter*innen sehr am Herzen, um mit Unterstützung des Teams stets ein qualitativ hochwertiger Dienstleister zu sein“, meint Turschner.
Lobende Worte für einen langjährigen Weggefährten findet Bürgermeister Michael Lotz. Hochachtungsvoll nennt er den scheidenden Betriebsleiter einen Mann der „alten Garde der Verwaltung“. „Die langen Jahre der Betriebszugehörigkeit waren von hohem Pflichtbewusstsein, hoher Identifikation mit seiner Stadt und durch zuverlässige Aufgabenerfüllung geprägt“, sagt der Rathauschef. Und weiter: „Dein gesamtes Arbeitsleben kann man in wenigen Minuten kaum würdigen. Ich konnte mich immer 100%tig auf Dich verlassen. Du hast immer das beste Ergebnis für die Kommunen und die IKZ angestrebt. Wir haben sehr freundschaftlich und kollegial zusammengearbeitet, ich werde Dich vermissen. Du kannst stolz auf Dein Berufsleben zurückblicken.“
Dillenburg verdanke Turschner die heutige, sehr gute Wasserversorgung mit. Er habe wesentlich dazu beigetragen, diese seit den 80er Jahren aufzubauen. Stetig in die Qualität der Versorgung mit dem wichtigen Lebensmittel Wasser zu investieren, habe den Betriebsleiter ausgezeichnet. Das unermüdliche Engagement habe auch Nachbarkommunen überzeugt und dazu bewogen, in diesem wichtigen Sektor der Daseinsvorsorge mit den Dillenburger Stadtwerken zusammenzuarbeiten. Michael Lotz weist auch darauf hin, dass Turschner über seine gesamte Laufbahn hinweg immer wieder bereit war, auch innovative Schritte zu gehen.
Er habe den Wasserwerken unter anderen geholfen, den Weg der Transformation hin zu den Stadtwerken, wie sie heute bekannt seien, zu ebnen. „In seine Verantwortung fiel die Eingliederung des Baubetriebshofes in die heutigen Stadtwerke, mit seinem Kollegen Karl-Werner Karp zusammen. Und der Erfolg belegt eindrucksvoll, wie gut diese Aufgabe gelöst wurde“, erklärte Lotz. Auch nach der Eingliederung habe er wesentliche Weichenstellungen, teilweise gegen erhebliche Widerstände, vorgenommen und den Stadtwerken eine moderne und leistungsstarke Struktur gegeben. Das Ergebnis: ein zukunftsweisender Maschinen- und Fahrzeugpark sowie eine hohe Qualität der Ausbildung. „Und obwohl sein Ruhestand kurz bevorstand, hat er mit Vehemenz den Weg für den dringend benötigten Neubau der Stadtwerke am alten Standort geebnet“, sagte der Bürgermeister abschließend.
Engagement zeigte und zeigt Norbert Turschner auch weiterhin nicht nur dienstlich: Er sitzt seit einigen Jahren im Aufsichtsrat des Wohn- und Bauvereins Dill eG - aktuell als Vorsitzender. Aktiv ist er im Lions-Club Herborn, besonders freut er sich, die Oldtimer- Fahrten der Herborn Classics mit organisieren zu dürfen. Darüber hinaus ist er treuer Mitsänger des Gesangvereins 1860 Niederscheld sowie des Oranienquartetts in Dillenburg. In der Freizeit schwingt er sich gerne in den Sattel von Fahrrad oder Motorrad. Liegt im Winter ausreichend Schnee, bewegt er sich gerne auf Skiern fort.
Begleitet und unterstützt wurde Norbert Turschner durch seine „Patchwork-Familie“, die ihm in schwierigen Situationen den Rücken stärkte und sich freut, in Zukunft mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Sein großer Dank gelte allen, die ihn begleitet haben, insbesondere dem Team der Stadtwerke. Ganz so fröhlich und ausgelassen wie bei Dienstantritt vor 41 Jahren geht es zum Abschied nicht zu. Ein Treffen im größeren Kreis mit Kollegen und einer Vielzahl von Wegbegleitern verhindert Corona. Geladene Gäste - nur in kleiner Runde. Der scheidende Betriebsleiter nimmt es gelassen: „Dann sage ich halt leise, Servus mitanand.“
BILDUNTERSCHRIFT
Offizieller Abschied in kleiner Runde (v. l. n. r.): Bürgermeister Michael Lotz, Norbert Turschner, Burkhard Müller vom Gesamtpersonalrat und Arno Seipp, Beigeordneter der Gemeinde Sinn. Foto: Oranienstadt Dillenburg